Im Unternehmeralltag werden sie häufig ganz selbstverständlich und eher beiläufig gebraucht – die Begriffe „strategisch“ und „operativ“. Was aber bedeuten sie genau, worin liegen die Unterschiede? Und welche Rolle spielt Strategie in Zeiten der Digitalisierung und in sich immer schneller verändernden Märkten? Eine Klärungsoffensive unseres Gastautors Andreas Tameling, der als Strategieberater seit über 20 Jahren erfolgreich Existenz und Wachstum kleiner und mittlerer Unternehmen sichert.
Fredmund Malik brachte es als Managementlehrer der renommierten Universität St. Gallen so auf den Punkt: „Aufgabe der operativen Führung ist es, das gegenwärtige Geschäft so gut wie möglich zu betreiben, ohne dass dadurch das Potenzial selbst geschädigt, also übernutzt wird. Aufgabe der strategischen Führung hingegen ist es, bestehende Erfolgspotenziale zu erhalten und zu pflegen sowie rechtzeitig neue, zukünftige Leistungsbereiche zu entwickeln und aufzubauen.“ Strategische Maßnahmen richten ihren Fokus demnach zuallererst auf die langfristige Existenzsicherung. Es geht darum, mit Weitblick und hoher Effektivität die richtigen Dinge zu tun und damit die wesentlichen Eckpfeiler des unternehmerischen Handelns abzustecken, ohne sie schon im Einzelnen auszuarbeiten. Operativ heißt hingegen, die Dinge richtig tun – effizient bis in feinste Details, aber meist nur mit einem Zeithorizont von 12 Monaten, bevor sich der jährliche Planungszyklus wiederholt. Abgeleitet aus der Strategie wird gefragt, welches die nächsten Schritte sind. Die Strategie wird in „operative Maßnahmen übersetzt“, beispielsweise in einen Umsatz-, Budget- oder Marketing-Jahresplan.
Strategische und operative Ebenen hängen damit untrennbar zusammen. Was strategisch versäumt wird, muss operativ mit ungleich höherem Kraftaufwand kompensiert werden. Wenn ein Unternehmen es verpasst, rechtzeitig einen festen Kundenstamm aufzubauen, ist es gezwungen, mit „Hauruck-Aktionen“ den Umsatz zu retten. Für den umgekehrten Fall mahnt Malik vor zu leichtfertigem Handeln: „Je günstiger das Bild ist, das operative Daten liefern, desto größer ist die Gefahr strategischer Fehler.“ Der Grund: Was sofortige Aktionen nahelegt, sollte umso gründlicher durchdacht werden. Denn nicht alles, was naheliegt, ist zugleich sinnvoll oder tragfähig im Sinne der Strategie.
Auf einen Blick: die wesentlichen Unterschiede zwischen strategischer und operativer Planung
Für das Entwickeln einer starken Marke ist strategisches Know-how unverzichtbar. Hier geht es im Wesentlichen darum, Kernkompetenzen zu identifizieren bzw. auszubauen und die richtige Marktpositionierung für das Lösen der Kundenbedürfnisse von morgen zu finden. Aktuelle Stärken und Schwächen werden beleuchtet, Chancen und Risiken für strategische Basisentscheidungen gegeneinander abgewogen.
Anschließend dreht sich in der Markenbildung alles um Leitwerte (Corporate Philosophy) und Fragen der Unternehmenskultur (Corporate Culture), also zahlreiche weiche Faktoren. Am Ende des gesamten Prozesses steht ein klares und eindeutiges Selbstbild des Unternehmens und seines Leistungsangebots (Corporate Performance). Damit die Außensicht – das Fremdbild – mit dem Selbstbild zur Deckung kommt, werden die Instrumente der Markenführung eingesetzt. Dabei handelt es sich um ein grundlegendes Auswahl- und Orientierungsraster an digitalen und analogen Kommunikationskanälen (Corporate Communications) sowie die Kernelemente des Erscheinungsbilds (Corporate Design).
Generell besitzt jedes Unternehmen eine Strategie – sonst wäre es nicht am Markt. Ungewiss ist nur, wie tragfähig sie für die kommenden Jahre ist. Denn was aus Sicht operativer Daten aktuell als sinnvolles Handeln erscheinen mag, kann strategisch grundfalsch sein – und umgekehrt. Im Bild gesprochen: Keine gute Strategie verfolgt sicher derjenige, der den besten Liegestuhl auf dem Sonnendeck eines Kreuzfahrtschiffs ergattert – dieser Dampfer jedoch ein Ziel ansteuert, das in einer völlig falschen Richtung liegt. Wenn dieser „Irrtum“ erkannt wird, ist es meist zu spät. Denn jetzt läuft die Zeit gegen einen, und kurzfristig lässt sich der strategische Fehler nicht korrigieren.
Viele Chefinnen und Chefs mögen jetzt fragen: Ist das Erarbeiten einer auf 5 bis 10 Jahre ausgelegten Strategie in Zeiten der Digitalisierung und der Schnelllebigkeit unserer Märkte überhaupt erfolgversprechend und sinnvoll? „Strategie ist ein Muster in einem Strom von Entscheidungen,“ lehrte der kanadische Professor für Betriebswirtschaft und Management Henry Mintzberg schon vor 40 Jahren – und das gilt heute mehr denn je. Denn Strategie gibt Unternehmern Orientierung und Sicherheit im betrieblichen Alltag, in dem Komplexität und Entscheidungen, die Führungskräfte treffen müssen, im Vergleich zu früher sicher noch einmal stark zugenommen haben. Verfügen sie über das individuell auf ihr Unternehmen zugeschnittene strategische „Muster“, treffen sie ihre Entscheidungen leichter und zielführender – und sparen dabei gleich noch Zeit und Aufwand: Sie müssen sich nicht jedes Mal erneut Gedanken über die Entscheidungsgrundlage machen.
Auch Kunden danken es den Unternehmen, weil strategische Markenbildung immer auf das Vertrauen in die Marke einzahlt. Mehr geht nicht, denn Vertrauen ist die stärkste aller positiven Emotionen, die ein Unternehmen bei seinen Kunden auslösen kann.
Andreas Tameling ist Dipl.-Ingenieur (FH), Unternehmensberater und Systemischer Coach (ifs). Seit mehr als 40 Jahren fasziniert ihn die Augenoptik mit ihren wissenschaftlichen, handwerklichen, aber auch kommunikativen Facetten. Nach seinem Studium in Aalen hatte er die Idee, die just aufkommende elektronische Datenverarbeitung zu nutzen und zur Optimierung der Kundenbetreuung sowie für Marketing und Kommunikation in Augenoptikbetrieben einzusetzen. Aus dieser ursprünglich eher technisch gelagerten Beratung erwuchs mit der von ihm gegründeten Tameling Consulting in Köln schon nach kurzer Zeit eine fachlich fundierte Strategieberatung. Mehr als 2.500 Beratungstage hat der gebürtige Hannoveraner in über 20 Jahren für Augenoptiker im deutschsprachigen Raum, aber auch für Unternehmen anderer Branchen (z. B. Agenturen und andere mittelständische Betriebe) geleistet. Sein Unternehmen hat er bereits vor einigen Jahren an einen Nachfolger veräußert, als selbstständiger Berater und Coach befindet er sich jedoch weiterhin im „Unruhestand“. Zum Expertenpool von Markatus gehört Andreas Tameling seit 2011.
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